Die Konfrontationstherapie

Durch Vermeidung und Flucht können Betroffene ihre Ängste in bestimmten Situationen oft recht erfolgreich meistern, auch wenn diese Möglichkeiten nur für kurze Zeit wirksam sind. Langfristig jedoch erhält genau dieses Vermeidungsverhalten die Angst aufrecht. Aus diesem Grund ist die Konfrontation mit gefürchteten und bisher vermiedenen Situationen ein Kernstück der psychotherapeutischen Behandlung von Angsterkrankungen.

Je nach Art der Angsterkrankung werden dabei unterschiedliche Ziele verfolgt, die für jeden Patienten individuell festgelegt werden. Im Folgenden sind einige Beispiele für die Konfrontationstherapie bei Angsterkrankungen dargestellt:

  • Bei einer Panikstörung, d.h. bei starker Angst vor Körpersymptomen und damit einhergehenden Befürchtungen, wie z. B. der Sorge vor lauter Angst einen Herzinfarkt zu erleiden, hilft die Konfrontationstherapie den Betroffenen dabei zu erkennen, dass auch starke Angst für einen gesunden Menschen ungefährlich ist. Gelingt es den Betroffenen, sich Körpersymptomen und Angstgefühlen mit Unterstützung eines Therapeuten auszusetzen, ohne etwas gegen die Angst zu unternehmen, machen sie die Erfahrung, dass die befürchtete Katastrophe gar nicht eintritt, sondern die Angst mit der Zeit von alleine nachlässt und so Stück für Stück ihren Schrecken verliert.
  • Im Rahmen einer zusätzlichen oder alleine bestehenden Agoraphobie werden die Betroffenen bei Konfrontationsübungen dabei unterstützt, bisher vermiedene Situationen, wie z. B. Tunnel, Züge oder volle Kaufhäuser, wieder aufzusuchen und die auftretenden Angstsymptome auszuhalten. Dies ermöglicht den Patienten ebenfalls, Befürchtungen, wie z. B. vor Angst verrückt zu werden, zu überprüfen und korrigierende Erfahrungen zu sammeln.
  • Im Fall einer spezifischen Phobie lernen die Betroffenen sich mit dem gefürchteten Objekt oder der gefürchteten Situation zu konfrontieren (z. B. bestimmte Tiere oder Höhe), ohne etwas gegen die Angstsymptome zu unternehmen. Auch hier lässt sich sehr effektiv eine Gewöhnung an die Angst und ein Hinterfragen der Angstgedanken erreichen.
  • Bei einer Sozialen Phobie geht es häufig weniger darum, die auftretenden Angstgefühle auszuhalten, bis sie nachlassen. Im Rahmen von Konfrontationsübungen können die Betroffenen hier noch mehr als im Fall anderer Angsterkrankungen und fast im Sinne eines Experiments überprüfen, ob die befürchtete Abwertung durch andere wirklich eintritt und welchen Einfluss sogenannte Sicherheitsstrategien (z. B. das Vermeiden von Blickkontakt) auf die Außenwirkung haben. Im Fall einer Paruresis lernen die Betroffenen mit Unterstützung des Therapeuten, sich wieder an das Urinieren auf öffentlichen Toiletten zu gewöhnen.
  • Bei einer Generalisierten Angststörung dienen Konfrontationsübungen dem Zweck, das Aushalten von Unsicherheiten auszuhalten und einen gesünderen Umgang mit auftretenden Sorgen zu finden. Besonders entscheidend ist es hier, dass die Betroffenen auf sogenannte Rückversicherungsstrategien verzichten (z. B. das wiederholte Nachfragen bei Angehörigen, ob es ihnen auch wirklich gut geht). Konfrontationsübungen bei Angsterkrankungen dienen in aller Regel zwei Zielen, wobei beide in unterschiedlicher Gewichtung zum Tragen kommen

Konfrontationsübungen bei Angsterkrankungen dienen in aller Regel zwei Zielen, wobei beide in unterschiedlicher Gewichtung zum Tragen kommen.

  1. Gewöhnung („Habituation“)
    Das Phänomen, dass sich die Angstreaktion in der Konfrontation mit der Angstsituation nach einer Weile reduziert, nennt man “Habituation”. Dies bedeutet “Gewöhnung” und bezieht sich auf einen körperlichen Prozess.Im Fall einer starken Angstreaktion treibt zusätzlich zu den Gedanken vor allem der Körper mit seinen Alarmreaktionen (Ausschüttung von Adrenalin, Hochfahren des Kreislaufs, Beschleunigung des Atems, Aktivierung von Schweißdrüsen etc.) die Angst an. Seine Reserven, um diesen hochaktiven Zustand aufrechtzuerhalten, sind jedoch begrenzt: Eben genau so lange, wie für eine Flucht- oder Kampfreaktion notwendig wäre. Wenn der Mensch nichts tut, also nicht flieht oder nicht vermeidet, bleibt der Körper noch eine Weile in seiner Alarmbereitschaft, erschöpft sich jedoch nach einiger Zeit und ist dann zunehmend weniger in der Lage, Angst zu produzieren.Dieses Phänomen kann man psychologisch nutzen: Wenn der Angstpatient durch diese Habituation (körperliche Gewöhnung) mehrmals die Erfahrung macht, dass die vorher bedrohliche Situation auch ohne Angst erlebt werden kann, wird diese Situation in Zukunft auch immer weniger Angst auslösen. Bei den ersten Übungen wird zwar noch Angst aktiviert, doch das Gedächtnis für diese körperlichen Reaktionen lässt schnell nach, wenn auf das Flucht- und Vermeidungsverhalten verzichtet und die Angst zunächst ausgehalten wird. Durch wiederholte Übungen (hier gilt wirklich: Übung macht den Meister!) werden die Reaktionen von Mal zu Mal schwächer. Der Körper reagiert auf die vorher noch bedrohliche Situation nun nicht mehr mit automatischer Angst. Dies gilt mit zunehmender Erfahrung auch für das Gefühl und die Gedanken.
  2. Veränderungen der Angstbewertungen
    Neben dem körperlichen Umlernen, sind es vor allem die gedanklichen Bewertungen, die darüber entscheiden, ob eine Situation Angst auslöst oder nicht. Gelingt es Betroffenen, gefürchtete Situationen aufzusuchen und zu bewältigen, verändern diese Gedanken ihre katastrophisierende Richtung. So erscheint es beispielsweise nach einigen durchgestandenen Angstsituationen oft weniger wahrscheinlich, dass durch Angst eine Ohnmacht provoziert werden kann. Auch bei der spezifischen Phobie können veränderte Angstbewertungen eine wichtige Rolle spielen: So haben viele Betroffene beispielsweise katastrophisierende Annahmen bzgl. der Wahrscheinlichkeit, von einem gefürchteten Tier angegriffen zu werden, die sich ebenfalls durch Konfrontationsübungen widerlegen lassen. Im Rahmen der Sozialen Phobie können insbesondere Rückmeldungen durch andere Personen nach Konfrontationsübungen zu einem Umlernen beitragen (z. B. Rückmeldung über kompetentes Auftreten trotz einer zitternden Stimme).Unabhängig vom Inhalt der jeweiligen Angstbewertung steigt durch das Bewältigten von Konfrontationsübungen zudem das Selbstvertrauen der Betroffenen und die Einschätzung, die eigene Angst überwinden zu können (die sogenannte Selbstwirksamkeit). Auch diese Veränderungen auf gedanklicher Ebene stellen einen wichtigen Effekt der Konfrontationstherapie dar.

Die Konfrontationstherapie (auch Expositionstherapie genannt) im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie zählt zu den effektivsten Methoden der modernen Psychotherapie. Sie ist in zahlreichen Untersuchungen immer wieder bestätigt und verfeinert worden, und gilt als die beste Möglichkeit, verschiedene Ängste zu behandeln.

Um den Erfolg dieser wirkungsvollen Methode nutzen zu können, müssen die Betroffenen häufig jedoch erst einmal ihren Mut zusammennehmen, um die Angst bewusst und aktiv zuzulassen und zu erleben. Es geht also nicht darum sich zu beweisen, dass gar keine Angst auftritt, wenn man doch wieder Fahrstuhl fährt, ins Kaufhaus geht, mit dem Flugzeug fliegt oder vor vielen Menschen eine Rede hält.

Eine wirksame Konfrontationsübung muss sorgfältig vorbereitet werden, um den individuellen Charakter der jeweiligen Angsterkrankung gezielt zu bearbeiten.

Dazu müssen vorher auch alle Vermeidungs- und Sicherheitsstrategien der Betroffenen, d. h. die Dinge, die sie bisher erfolglos gegen die Angst unternommen haben, analysiert werden. Erst dann kann in der Übungssituation auch eine echte Exposition stattfinden.

Wichtig ist auch, dass ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um eine stabile Veränderung zu erreichen. Zusätzlich ist es wichtig, dass Übungen häufiger wiederholt werden, damit stabile Lerneffekte erreicht und auch die Angst vor der Angst erfolgreich beseitigt werden können.

Und schließlich sollten diese Übungen nicht ausschließlich im „geschützten Räumen“ stattfinden, sondern möglichst auch dort, wo die Angst im wirklichen Leben auftritt: Im echten Kaufhaus, im echten Flugzeug, im echten Kino, im echten Hörsaal usw. Deshalb finden die meisten der Expositionsübungen sehr realitätsnah im Alltag statt. Durch diese Intensivierung der Psychotherapie lässt sich in vielen Fällen innerhalb einiger Wochen eine spürbare Besserung erreichen.

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